8. Fazit
Augustinus war ein umfassend gebildeter Mann seiner Zeit. Als Bewohner
des römischen Westens von der hellenischen Philosophie in gewisser
Weise getrennt, hatte er dennoch Kenntnis von den wichtigsten Strömungen
der Antike und hat sie verarbeitet: Neuplatonismus, Skepsis, Stoa, Aristoteles.
Eine Frage, die hier nicht beantwortet werden kann, ist, inwieweit diese
Strömungen heute überhaupt noch als die wichtigsten der Antike
gelten würden, wenn Augustinus mit seiner immensen philosophiegeschichtlichen
Wirkung sie nicht verarbeitet hätte. Wichtigster Übermittler
dieses Gedankengutes war vor allem für den jungen Augustin Cicero,
der daneben mit seiner Schrift Hortensius die bleibende Hinwendung Augustins
zur Philosophie auslöste.
Die philosophische Richtung, zu der Augustinus sich bekennt und die sein Denken leitet, ist der Neuplatonismus. Von dessen Hauptvertreter Plotin übernimmt er vor allem die Hinwendung zu einer jenseitigen Welt, die bei Augustinus vom christlichen Monotheismus geprägt ist, aber auch anderes: Das Konzept der Weltschöpfung aus der Überfülle Gottes, die Erklärung des Bösen als Gottesferne des irdischen Daseins, die Sehnsucht der Seele nach Rückkehr in ihren Ursprung - dies alles sind Motive, die Augustinus bei Plotin vorgezeichnet fand. Aber auch stoische Momente sind bei Augustin unverkennbar vorhanden. Die Leidenschaften abzulehnen und die Weisheit als Quelle des Glücks zu betrachten, das waren stoische Haltungen, die Augustinus übernahm und die er gegen die Einwände der Skeptiker verteidigte. Nicht zuletzt hat auch Aristoteles bei Augustinus seine Spuren hinterlassen. Dessen Kategorienschrift entnahm Augustinus unhinterfragt die These, daß die Welt aus Dingen besteht und die Dinge Träger ihrer Eigenschaften sind. Diese Einflüsse sind von Augustinus zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlicher Weise verarbeitet worden. Während er die Skepsis vehement ablehnt, steht er der Stoa ambivalent gegenüber, bejaht den Neuplatonismus mit Begeisterung und nimmt Aristoteles Kategorienlehre als Selbstverständlichkeit hin. Insgesamt gesehen zeigt sich, daß Augustinus Aurelius, der als Lehrer des Mittelalters gilt, zugleich ein Schüler der Antike war. Nächster Abschnitt |