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Polizeigewerkschaften bis 1935

  1. Einleitung

  2. Kommentar der GdP
  3. 1882-1913
    Regionale Gründungen
  4. 1913-1915
    Berlin
  5. 1915-1918
    Preußen
  6. 1918
    Revolution
  7. 1920
    Kapp-Putsch
  8. 1919-1931
    Reichsgewerkschaft
  9. 1933
    Machtübernahme
  10. Ausblick nach 1935
  11. Fazit
  12. Chronologie
  13. Register
  14. Bibliographie

 

 

1 Einleitung

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Geschichte polizeilicher Berufsverbände in Deutschland von 1882 bis 1935 im chronologischen Überblick darzustellen. Der Zeitraum wird durch zwei Eckdaten festgelegt: 1882 ist das Gründungsjahr des ersten nachweisbaren Verbandes, und 1935 datiert die Liquidationsurkunde des letzten demokratischen Polizeiverbandes vor der Nazi-Diktatur.

Zum Aufbau der Arbeit

Im Laufe des Untersuchungszeitraumes wurden in Deutschland über 100 polizeiliche Berufsvereinigungen gegründet. Es gab bei diesen Verbänden Spaltungen, Zusammenschlüsse und Vereinnahmungen. Es kam vor, daß der gleiche Verband verschiedene Namen führte, und daß unterschiedliche Verbände fast den gleichen Namen hatten. So wurde der Verband Preußischer Polizeibeamten e.V. häufig Schrader-Verband genannt und die beiden Verbände Allgemeiner Preußischer Polizeibeamtenverband und Preußischer Polizeibeamtenverband waren ganz unterschiedliche Organisationseinheiten. Um diese Vielfalt der Organisationen und ihrer Beziehungen untereinander wenigstens annähernd übersichtlich präsentieren zu können, enthält diese Arbeit eine Chronologie und ein Register der Verbände. Dadurch konnte ich den übrigen Text von einer störenden Detailfülle freihalten. Einzelheiten, die im Text fehlen, sind in der Chronologie leicht zu finden.
Die Darstellung beginnt mit den Wurzeln der polizeilichen Gewerkschaftsbewegung, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Von 1913 bis 1915 spielte sich in Berlin ein gut dokumentierter Organisationskampf ab, der zur offiziellen Gründung eines Verbandes führte, der in der Folgezeit den Kern der Polizeigewerkschaftsbewegung bildete. In der Weimarer Zeit wuchsen die Berufsverbände und konsolidierten sich, wurden jedoch 1933 ausgeschaltet und durch eine Nazi-Organisation ersetzt.

Zur Quellenlage

Polizeigewerkschaften sind ein wissenschaftlich so gut wie nicht bearbeitetes Thema. Die Literaturlage ist problematisch. Aus diesem Grund habe ich in die Bibliographie auch mir nicht zugängliche Quellen aufgenommen. Neben verstreuten Hinweisen stehen als Hauptquellen Veröffentlichungen von Funktionären zur Verfügung. Die älteste mir vorliegende Quelle ist eine 1926 veröffentlichte Arbeit von Emil Klingelhöller1, der im sogenannten Schrader-Verband tätig war2. Es handelt sich um eine Jubiläumsschrift zum zehnjährigen Bestehen des Verbandes mit vielen Zitaten aus der Presse und aus amtlichen Dokumenten. Besonders ergiebig ist diese Quelle allerdings nicht. Sie enthält lange ideologische Passagen, ist unklar aufgebaut und stellt zumindest ein Ereignis verfälscht dar, und zwar den Kapp-Putsch. Beschrieben wird hier vor allem die Zeit von 1913 bis 1926.
 
Die weiteren Hauptquellen sind drei Arbeiten des Funktionärs Friedrich Gniesmer von der Gewerkschaft der Polizei GdP, und zwar zwei Jubiläumsschriften von 1960 und 19803, sowie eine weitere Arbeit, von der im Archiv des DGB ein kopiertes Exemplar existiert4. Wenn auch der erste Text anonym erschienen ist, so legen doch Inhalt und Stil des Artikels nahe, daß es sich um den gleichen Autor handelt. Die Angabe Gniesmer bezieht sich im Folgenden stets auf Gniesmer: Der Weg zu und mit der GdP. Der Wert dieser Arbeiten ist jedoch beschränkt. Es zeigt sich, daß die beiden späteren Schriften die erweiterte Überarbeitungen des früheren Textes sind. Außerdem sind ganze Passagen von Klingelhöller übernommen. Kenntlich gemacht sind diese Zitate nicht, lediglich beim Zitieren von Zeitungen und behördlichen Dokumenten ist eine gewisse Sorgfalt erkennbar. Ähnliches gilt auch für ein Referat, das anläßlich des ersten GdP-Kongresses 1951 vom damaligen Vorsitzenden Schulte gehalten wurde5

Wissenschaftliche Publikationen liegen zum Untersuchungszeitraum nicht vor. Als einzige Veröffentlichung zu Polizeigewerkschaften findet sich eine Dissertation von 19706. Gniesmer erwähnt noch eine Diplomarbeit von 1973, die mir aber nicht zugänglich ist.7 Beide Werke behandeln die Zeit nach 1945. Ergiebige Abschnitte finden sich aber bei Leßmann und Liang8

In Anbetracht dieser Quellenlage und des begrenzten Rahmens dieser Arbeit mußte ich an einigen Stellen in der Literatur wiedergegebene Zitate ungeprüft wiedergeben. Wo dies geschehen ist, ist es kenntlichgemacht. 

Die folgenden Ausführungen könnte man bei böswilliger Auslegung als Satire betrachten. Da sie aber auf Fakten beruhen und m.E. auch einen gewissen Erkenntniswert besitzen, möchte ich sie nicht unterschlagen: 
Vielleicht ist ein gar nicht so unwichtiges Nebenergebnis meiner Recherchen der Befund, daß sich der GdP-Bundesvorstand in Hilden meiner Anfrage gegenüber äußerst zugeknöpft verhalten hat. Er war in dieser Hinsicht noch unzugänglicher als die Bibliothek des Innenministers, wo man mir erst bei meinem dritten Besuch ausdrücklich nahelegte, nicht wiederzukommen. Ich kann nicht ausschließen, daß es sich bei dieser Feststellung um ein Artefakt handelt, daß also nicht der Gegenstand der Forschung, sondern das fehlerhafte Vorgehen des Forschers zu diesem Ergebnis geführt hat. Möglich, daß ich mein Anliegen mit zu viel oder zu wenig Nachdruck vorgetragen habe, jedenfalls muß ich sozusagen als Ethnologe feststellen, daß der Stamm der Polizeigewerkschafter mich nicht in seine Geheimnisse eingeweiht hat. Diese Aussage impliziert natürlich den - zunächst subjektiven - Verdacht, daß die Polizeigewerkschaft die eben erwähnten Geheimnisse überhaupt hat. Auch drängt sich mir die Frage auf, ob der GdP-Funktionär, mit dem ich telefonierte, in seinem Herzen mehr Gewerkschafter oder mehr Polizist ist, wenn er sagt, er könne mich nicht so einfach in die Bibliothek lassen, weil sich da "sicherheitsrelevante Materialien" befänden. Dieses befremdliche Argument ist mir weder bei der Bibliothek des Innenministers, noch - in anderem Zusammenhang - bei der Werksbibliothek Henkel begegnet. Dabei enthalten diese Bibliotheken wahrscheinlich mehr "sicherheitsrelevante Materialien", als der GdP-Vorstand in seinen kühnsten Träumen zu besitzen glaubt. Vielleicht ist die GdP auch deshalb etwas vorsichtig geworden, weil auf ihr Archiv 1982 ein Brandanschlag verübt wurde. Dieser Brandanschlag ist aber nicht tagsüber und mit namentlicher Voranmeldung von einem Studenten verübt worden, sondern nachts von einem Unbekannten9

Dies alles, wie gesagt unter dem Vorbehalt, daß möglicherweise auch falsches Vorgehen meinerseits diese ungewöhnliche Zurückhaltung hervorgerufen hat. 

Re: Geschichte der Polizeigewerkschaft
29.01.99
From: GdP-Bund@t-online.de (Gewerkschaft der Polizei)

Sehr geehrter Herr Wagenknecht,

im Internet fanden wir Ihre Veröffentlichung "Berufsverbände der Polizei in Deutschland 1882 bis 1935", sinnigerweise gefolgt von Ihrem Beitrag zur "Hexenverfolgung". Das erste Thema findet, wie Sie sicherlich verstehen werden, unser Interesse. Und was finden wir? Eine GdP-Beschimpfung, und zwar in dem Kapitel "Zur Quellenlage". 

Wir können hier im Hause nicht mehr nachvollziehen, wie der damalige Dialog mit Ihnen abgelaufen ist und wer ihn überhaupt geführt hat. Der Hinweis auf "sicherheitsrelevante Materialien" ist im Hinblick auf die Benutzung von Unterlagen aus unserem Archiv natürlich falsch.

Eines allerdings ist richtig: das Archiv der GdP ist nicht so ausgelegt, daß wir für externe Anfragen einen höheren Aufwand betreiben können, als dies im Verhältnis zu den ständigen Aufgaben des Archivs möglich ist. Wir sind aber stolz darauf, daß wir mit unseren bescheidenen Mitteln eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten sowohl innerhalb wie außerhalb der Polizei unterstützen konnten. Wenn Sie Ihre damaligen Gesprächspartner für Ihnen gegenüber "zugeknöpft" gehalten haben, dann vermute ich, daß Ihre Selbsteinschätzung den Nagel auf den Kopf trifft. Es hat wohl an Ihnen gelegen.

Damit komme ich zu dem für mich wesentlichen Punkt. Sie kritisieren die Arbeit, die der damalige Geschäftsführer Friedel Gniesmer zur Geschichte der GdP bzw. ihrer Vorläuferorganisationen geschrieben hat. Für Sie sind seine Ausarbeitungen von beschränktem Wert. Das mag aus der Sicht eines Wissenschaftlers bzw. unter der Meßlatte einer wissenschaftlichen Arbeit so sein, doch halte ich Ihr Urteil für völlig neben der Sache liegend. Friedel Gniesmer hat nämlich überhaupt nicht im Sinn gehabt, eine wissenschaftliche Arbeit zu erstellen, sein Ansatz war wesentlich bescheidener. Er hat für den Gebrauch in der GdP die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung in der Polizei beschrieben, und genau diesen Zweck hat die Arbeit bis zum heutigenTag auch hervorragend erfüllt. Friedel Gniesmer war von Hause eben einfacher Schutzmann, war Gründungsmitglied der GdP in Niedersachsen und schließlich, wie gesagt, Geschäftsführer beim Bundesvorstand. Er wäre nie so verwegen gewesen zu behaupten, eine Arbeit abgeliefert zu haben,  die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Ihm also im nachhinein vorzuwerfen, eine Arbeit "von beschränktem Wert" vorgelegt zu haben, zeugt nach meinem Dafürhalten von elitärer Arroganz. 

Das bringt mich als Nichtwissenschaftler letztlich zu einer Frage: Ist es ein Zeichen einer wissenschaftlichen Arbeit, sich im Rahmen der Einleitung darüber zu beschweren, daß man sich nach Ihrem Empfinden zu wenig kooperativ gezeigt hat? Sie schreiben, daß diese Episode einen gewissen "Erkenntniswert" besitzt, weshalb Sie sie ja auch "nicht unterschlagen" haben. Ich habe da so meine Vermutung: vielleicht haben Sie nicht artig genug "bitte, bitte" gesagt.

Mit freundlichen Grüßen
- Wolfgang Dicke -
Geschäftsführer der Gewerkschaft der Polizei


1 Klingelhöller, Emil: Der Verband Preußischer Polizeibeamten in seinem Werden und Wirken, Berlin 1926
2 Liang, Hsi-Huey: Die Berliner Polizei in der Weimarer Republik, Berlin, New York 1976 S.152
3 25 Jahre GdP, in: Deutsche Polizei 10/1975 S.6-19, sowie Gniesmer, Friedrich: Der Weg zu und mit der GdP, in: Die deutsche Polizei - ihre Geschichte - ihre Gewerkschaft S.1-58; die Angabe "Gniesmer" ohne weiteren Hinweis bezieht sich stets auf diesen Artikel.
4 Gniesmer, Friedrich: 65 Jahre Gewerkschaftsarbeit für die Polizei Auflage 1979, Druckschrift ohne Impressum, Archiv des DGB, Karton Polizei
5 Schulte: Vom Kameradenverein bis zur Gründung der Gewerkschaft der Polizei, in Auszügen wiedergegeben in 40 Jahre danach - 35 Jahre GdP, hrsg. vom Verlag Deutsche Polizei, Hilden 1985
6 Sieveking, Jürgen: Das Kräftespiel zwischen Staat und Beamtengewerkschaft am Beispiel der GdP Univ.-Diss. Freiburg 1970, gefunden im Gesamtverzeichnis deutschsprachiger Hochschulschriften 1966-1980, Saur-Verlag. Dagegen findet sich weder im Hochschulschriften-Verzeichnis der Deutschen Bibliographie (1981-1990), noch in der Quellen-Edition des DGB ein einziger Hinweis.
7 Scheibengruber, Georg: Probleme der gewerkschaftlichen Organisation von Beamten - am Beispiel der Polizei, Diplomarbeit, München 1973
8 Leßmann: Die preußische Schutzpolizei in der Weimarer Republik, Düsseldorf, 1989 S.164-170 und Liang: a.a.O. S.75-83
9 Vgl. Lokalpresse vom 24.07.1982: Westdeutsche Zeitung, Rhein. Post, Kölner Stadtanzeiger
   

Entstanden als Hausarbeit zum Hauptseminar: Die Polizei in Geschichte und Gegenwart
Leitung: Prof. Dr. Hans Boldt und Dr. Hans F. Lisken
Wintersemester 1991/92, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Urheberrecht: Achim Wagenknecht
http://achimwagenknecht.de
Zuletzt aktualisiert am 09.02.2006