Drittes
Kapitel Viertes
Kapitel
|
Fünfter Lehrsatz.
[K] Jede Nominaldefinition ist gültig.
Beweis.
Beweis des Unteren.
Mit anderen Worten, in einer Nominaldefinition ist das Subjekt, von
dem sie ausgesagt wird, rein material eingesetzt, oder, wenn formal, dann
für genau das Ding, für das das Prädikat eingesetzt ist,
nicht nur faktisch sondern auch konzeptuell. Deshalb ist es ausgeschlossen,
daß die Nominaldefinition nicht zu allen definierten Dingen und nur
zu diesen gehört, denn natürlich kann es nicht sein, daß
die Definition selbst, die ausgesagt wird, nicht das ist, was sie ist,
und sie kann auch nicht verschieden von sich selbst sein. Deshalb ist jede
Nominaldefinition gültig.
Mit anderen Worten. Der Nominaldefinition kann nicht widersprochen werden. Deshalb kann keine Nominaldefinition ungültig sein. Das ebengesagte wird durch den Gebrauch selbst bewiesen. Ich definiere Subkontrarien als die Kontradiktionen zweier Kontrarien. Du bestreitest das. Ich sage so: Entweder du bestreitest jene Subkontrarien, die ich als Kontradiktionen der Kontrarien verstehe, oder du machst deinen Einwand betreffend anderer Propositionen, die ich nicht verstehe. Im zweiten Fall widersprichst du deshalb nicht. Im ersten Fall - dann willst du sagen, daß die Kontradiktionen zweier Kontrarien nicht die Kontradiktionen zweier Kontrarien sind, denn das verstehe ich unter Subkontrarien. Aber das ist unmöglich. Deshalb kann einer Nominaldefinition nicht widersprochen werden. Deshalb steht aus vielen Gründen fest, daß alle Nominaldefinitionen gültig sind. Was zu beweisen war. Du wirst sagen, es könnte sein, daß die Nominaldefinition nicht klarer ist, als die von ihr definierte Sache. Sie könnte nicht zu allen definierten Dingen und nur zu diesen gehören. Sie könnte nicht aus Gattung und nächster Unterscheidung bestehen. Deshalb könnte sie ungültig sein. Aber das Gegenteil ist wahr. Denn die beiden ersten Teile des Obengesagten
sind offensichtlich falsch, und das dritte tut nichts zur Sache2.
Es ist völlig in den Begriffen enthalten, daß die Nominaldefinition
möglicherweise nicht klarer ist, als das von ihr Definierte, obwohl
allerdings3 das von ihr Definierte, das vor der Nominaldefinition
gewußt werden müßte, das Allerunbekannteste ist, viel
unbekannter als die Definition, denn es ist überhaupt nicht bekannt.
Es ist auch unmöglich, daß sie nicht auf alle definierte Dinge
und nur auf diese zutreffen sollte, da ja der, der definiert, will, daß
sie auf alle zutrifft, und es kommt von genau dieser Tatsache, daß
Deshalb ist es ausgeschlossen, daß sie nicht auf alle definierten Dinge und nur diese Dinge zutrifft. Im Hinblick auf den dritten Teil des Obengesagten, - dieser sei übernommen und zugegeben, die Konsequenz aber wird bestritten. Gerade wie die Realdefinition zweifach ist, essentiell und deskriptiv, so ist auch die Nominaldefinition zweifach, nämlich essentiell und deskriptiv; wenn auch die Nominaldefinition diese Zweiteilung nicht erlangt, außer wenn sie zu einer Realdefinition wird, entweder durch ein Postulat oder wenn die Frage gestellt wird, "existiert es?", und sie wird zustimmend beantwordetet. Man hat ein Beispiel in dieser Nominaldefinition eines Kreises: Ein
Kreis ist eine ebene Figur, in der, wenn zwei beliebige Geraden, die in
den Umfang fallen, sich schneiden, das Rechteck, das unter den Segmenten
der einen umfaßt wird, gleich demjenigen ist, das unter den Segmenten
der anderen umfaßt wird.4 Diese Nominaldefinition ist vorzüglich,
aber sie ist dennoch keine essentielle Definition, sondern eine deskriptive.
Denn die Figur, auf die die obengenannte Definition zutrifft, ist notwendigerweise
eine ebene Figur, die in einer einzigen Begrenzungslinie enthalten ist,
derart daß alle geraden Linien, die von einem bestimmten Punkt unter
ihnen, der in der Figur liegt, auf sie fallen, gleich sind. Und diese letztere
ist die essentielle Definition des Kreises, dessen Eigenschaft das ist,
was von der vorhergegangenen Nominaldefinition ausgedrückt wurde.
Weshalb die Bedingung, auf die besonders geachtet werden muß in einer
korrekten Definition (soweit wir hier damit befaßt sind) ist, daß
sie auf alle definierten Dinge zutrifft und nur auf diese.
1 C+D=>B, A+B=>K. 2 Non facit ad rem. 3 Das lateinische quippe, hier mit allerdings wiedergegeben, weist oft auf Ironie hin, was hier der Fall ist. 4 Das ist der Sehnensatz: Schneiden zwei Geraden einander im Punkt P innerhalb eines Kreises und den Kreis in den Punkten A,B bzw. C,D; so gilt: PA/PC=PD/PB; vergl. z.B. Meyers Rechenduden von 1961. Mit den Nennern multipliziert ergibt dies Saccheris Aussage über die Rechteckflächen: PA*PB=PD*PC. |